Karl-Heim-Gesellschaft: Jahrestagung 2004


 

Bernhard Suchan:

Kosmischer Sinn?

Anthropische Argumente gegen die kosmologische Entfremdung des Menschen


Einer weitverbreiteten Ansicht zufolge ist die Entwicklung der neuzeitlichen Wissenschaft eng verknüpft mit einer zunehmenden Bedeutungslosigkeit des Menschen bezüglich seiner Stellung in der Natur: Vor allem die Erkenntnisse der Naturwissenschaften sind es, die dem Menschen „Kränkungen“ zufügen und zu einer Entfremdung von der Natur führen. Der Mensch begreift sich nicht mehr als Krone der Schöpfung, sondern ist eine gänzlich unbedeutende Erscheinung in den Weiten des Kosmos.

 

Dieser geistesgeschichtlichen Überzeugung tritt in den letzten drei Jahrzehnten das sogenannte „Anthropische Prinzip“ entgegen. In den verschiedenen Spielarten stellt es in unterschiedlicher Form die natürlichen Bedingungen heraus, die die Entstehung von Leben und Bewußtsein im Universum erst ermöglichen. Nicht zuletzt wegen seiner zahlreichen Formulierungen wird das Anthropische Prinzip in der Diskussion allerdings ganz verschieden beurteilt: Manche halten es für eine schlichte Trivialität, andere dagegen sehen in ihm eine Basis für die These, daß die gesamte naturgeschichtliche Entwicklung auf die Existenz des Menschen hin ausgerichtet ist.

 

Der letztgenannte Punkt ist der Grund für die Tatsache, daß das Anthropische Prinzip neben den Naturphilosophen vor allem die Theologen beschäftigt. In ihm scheint ein Ansatz zu liegen, Elemente einer klassisch teleologischen Weltsicht zusammen mit dem aktuellen Stand der naturwissenschaftlichen Forschung nun in einem ganzheitlich-religiösen Weltbild integrativ zu verbinden.

Der Vortrag diskutiert die verschiedenen Formen des Anthropischen Prinzips und zeigt deren Erklärungswert ebenso auf wie die erkenntnistheoretischen Konsequenzen. Diese kritische Betrachtung führt einerseits zu der These, daß dem Anthropischen Prinzip lediglich ein heuristischer Wert zukommt. Andererseits bieten die naturwissenschaftlichen Erkenntnisse, die dem Prinzip zugrunde liegen, die Grundlage für eine Revision der eingangs skizzierten geistesgeschichtlichen Situation: Der Mensch ist so eng in den naturgesetzlichen Zusammenhang eingewoben, daß sich die Frage nach dem kosmischen Sinn der menschlichen Existenz wieder neu stellt.