Bernhard Suchan:
Kosmischer Sinn?
Anthropische Argumente
gegen die kosmologische Entfremdung des Menschen
Einer weitverbreiteten Ansicht zufolge
ist die Entwicklung der neuzeitlichen Wissenschaft eng verknüpft mit einer
zunehmenden Bedeutungslosigkeit des Menschen bezüglich seiner Stellung in
der Natur: Vor allem die Erkenntnisse der Naturwissenschaften sind es, die
dem Menschen „Kränkungen“ zufügen und zu einer Entfremdung von der Natur
führen. Der Mensch begreift sich nicht mehr als Krone der Schöpfung,
sondern ist eine gänzlich unbedeutende Erscheinung in den Weiten des
Kosmos.
Dieser geistesgeschichtlichen Überzeugung tritt in den
letzten drei Jahrzehnten das sogenannte „Anthropische Prinzip“ entgegen. In
den verschiedenen Spielarten stellt es in unterschiedlicher Form die
natürlichen Bedingungen heraus, die die Entstehung von Leben und Bewußtsein
im Universum erst ermöglichen. Nicht zuletzt wegen seiner zahlreichen
Formulierungen wird das Anthropische Prinzip in der Diskussion allerdings
ganz verschieden beurteilt: Manche halten es für eine schlichte
Trivialität, andere dagegen sehen in ihm eine Basis für die These, daß die
gesamte naturgeschichtliche Entwicklung auf die Existenz des Menschen hin
ausgerichtet ist.
Der letztgenannte Punkt ist der Grund für die Tatsache,
daß das Anthropische Prinzip neben den Naturphilosophen vor allem die
Theologen beschäftigt. In ihm scheint ein Ansatz zu liegen, Elemente einer
klassisch teleologischen Weltsicht zusammen mit dem aktuellen Stand der
naturwissenschaftlichen Forschung nun in einem ganzheitlich-religiösen
Weltbild integrativ zu verbinden.
Der Vortrag diskutiert die verschiedenen
Formen des Anthropischen Prinzips und zeigt deren Erklärungswert ebenso auf
wie die erkenntnistheoretischen Konsequenzen. Diese kritische Betrachtung
führt einerseits zu der These, daß dem Anthropischen Prinzip lediglich ein
heuristischer Wert zukommt. Andererseits bieten die naturwissenschaftlichen
Erkenntnisse, die dem Prinzip zugrunde liegen, die Grundlage für eine
Revision der eingangs skizzierten geistesgeschichtlichen Situation: Der
Mensch ist so eng in den naturgesetzlichen Zusammenhang eingewoben, daß
sich die Frage nach dem kosmischen Sinn der menschlichen Existenz wieder
neu stellt.
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