Wolfgang Schoberth, Bayreuth

 

Die Erfahrung der Welt als Schöpfung und die Wissenschaften

 

Thesen

 

 

 

1.  Die Kategorien und Methoden, die moderne Wissenschaft charakterisieren, schließen die Wahr­nehmung der Welt als Schöpfung aus.

 

1.1.   ‚Ausschließen‘ ist dabei wörtlich zu nehmen: Was zu dieser Erfahrung gehören würde, darf in der neuzeitlichen Wissenschaft nicht erscheinen.

 

1.2.   Es geht dabei also nicht um den Wissenschaftler, der durchaus gläubig sein kann und oft auch ist: Worauf dieser Glaube sich richtet, steht aber prinzipiell außerhalb dessen, was moderne Wissenschaft als möglichen Gegenstand anerkennt.

 

1.3.   Weil aber das, was von der neuzeitlichen Wissenschaft ausgeschlossen wird, zum Leben gehört, hat diese Wissenschaft von Anbeginn kritische Begleiter.

 

1.4.   Die Alternativen der Wissenschaft in der Wissenschaftsgeschichte erinnern an die Dimensionen, die von neuzeitlicher Wissenschaft verdrängt werden.

 

1.5.   An der Wiedergewinnung dieser verdrängten Dimensionen hängt nicht nur die Möglichkeit sinnvoller Artikulation des Schöpfungsglaubens, sondern auch das Überleben der Menschheit in der uns bekannten Form.

 

 

 

2.  Umgekehrt schließt die Erfahrung der Welt als Schöpfung eine wissenschaftliche Erforschung gerade nicht aus.

 

2.1.   Der Erfahrung der Welt als Schöpfung entspricht allerdings eine andere Wissenschaft als die vorherrschende.

 

2.2.   Diese ‚andere‘ Wissenschaft ist freilich keineswegs ‚Schöpfungswissenschaft‘, sondern freie Wissenschaft.

 

2.3.   Solche andere Wissenschaft ist dringlich, ihre Kontur aber allenfalls in Ansätzen erkennbar.

 

2.4.   Der Weg dahin muss über eine Revision der bestehenden Wissenschaft führen: Revision als Durchsicht, Überprüfung, aber auch Abkehr von unhaltbaren Positionen. Durchsicht und Überprüfung be­deutet dabei den kritischen Blick auf die Stärken und Defizite moderner Wissenschaft.

 

2.5.   Theologisch ist dabei zu fragen, welche Elemente moderner Wissenschaft die Erfahrung der Welt als Schöpfung verhindern und wie diese Elemente überwunden werden können, ohne dabei die Stärken moderner Wissenschaft zu eliminieren.

 

 

 

3.  Weil Wissenschaft nicht nur für Christen Geltung haben kann, ist sie immer zugleich weniger bestimmt als das in der Perspektive des Glaubens wünschenswert wäre: Zur Wissenschaft gehört ‚Reduktionismus‘.

 

3.1.   Wissenschaft ist aber auch ‚genauer‘: Eben das verdankt sie ihren reduktionistischen Verfahren.

 

3.2.   Mit dieser reduktionistischen Genauigkeit ist aber verbunden, dass Wissenschaft nicht im strengen Sinn ‚objektive‘ Erkenntnis ist, also die Wirklichkeit, „wie sie ist“, vollständig abbilden kann, sondern ein Instrument zur Erfassung von Aspekten der Wirklichkeit und zu spezifischem Umgang mit ihr.

 

3.3.   Daraus folgt wiederum, dass Wissenschaft nicht einfach ‚wahr‘, sondern selbst rechtfertigungspflichtig ist hinsichtlich ihrer Prämissen, Verfahren und Konsequenzen.

 

3.4.   Die Ebene, auf der Wissenschaft sich legitimieren können muss, ist die des alltäglichen Lebens von Menschen, ihrer Bedürfnisse, Hoffnungen und Ängste.

 

 

 

4.  Diese Ebene fällt mit dem zusammen, was der Glaube als ‚Geschöpflichkeit‘ erfährt und benennt.

 

4.1.   Die wesentliche Aufgabe der Theologie in der Auseinandersetzung um die Wissenschaften ist die Erinnerung an die Dimension der Geschöpflichkeit.

 

4.2.   Alternative und ‚ganzheitliche‘ Ansätze in der Wissenschaft treffen so auf die Sympathie der Theologie, ohne dass sie hier unkritisch werden könnte.

 

 

 

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