Die Technik und der Mensch

Jürgen Schneider

 

Technikverständnis von der Antike bis zur Neuzeit

Den Menschen begleiten seit der Frühgeschichte schon immer Werkzeuge im weitesten Sinne (z.B. Faustkeile und Steinmesser). Der Einsatz dieser Werkzeuge dient in erster Linie der Sicherung des Überlebens und nicht der Beherrschung der Natur. Es besteht in vielen Fällen eine Scheu, Naturkräfte zu funktionalisieren.

Die biblische Schöpfungsgeschichte führt durch ihre Betonung der Schöpfermacht Gottes zu einer Entgötterung der Welt. Der Mensch hat die Freiheit, die Natur zu formen und zu nutzen. Erst in der Renaissance entsteht der Gedanke, dass der Mensch dazu bestimmt ist, die noch unvollendete Schöpfung zu vollenden.

Francis Bacon sieht den Zusammenhang zwischen einem Fortschritt der Wissenschaften und der Verbesserung der Lebensverhältnisse sehr deutlich. So beschreibt er in seinem Werk Nova Atlantis schon die Manipulation von Pflanzen und Tieren. Bacon sieht in der Rückgewinnung der Herrschaft über die Natur, die durch den Sündenfall verlorengegangen ist, eine wesentliche Aufgabe des Menschen.

Technik und Technikkritik des 18. und 19. Jahrhunderts

Die Industrielle Revolution, die von England ausgeht, bringt mit der Entwicklung der Dampfmaschine eine stärkere Abkopplung des Menschen von seiner Umwelt, da Energie jetzt unabhängig von Wasser- und Windkraft eingesetzt werden kann. Durch die neuen Transportmittel (Eisenbahn, Dampfschiffe) kommt es zu einem schnelleren Austausch von Gütern und Informationen zwischen Ländern und Kulturen.

Viele Menschen verlieren durch den Einsatz von Maschinen (z.B. die Bandwebstühle) ihre Arbeit und es kommt häufig zu Maschinenstürmereien, bei denen die Maschinen zerstört werden. Die Technikkritik hat in dieser Zeit hauptsächlich soziale Ursachen.

Der technische Fortschritt wird zudem oft als Zerstörer der bisherigen Lebensverhältnisse empfunden, da er teilweise zu einer Änderung der bestehenden Ordnungen führt.

Technik und Technikkritik bis zur Gegenwart

Das 20.Jahrhundert hat neue Energieträger wie die Atomenergie und das Erdöl erschlossen. Energie kann in der Form der Elektrizität nahezu beliebig erzeugt und verteilt werden. Außerdem sind neue Transport- und Kommunikationsmittel entwickelt worden.

Neben dem großen Nutzen, den die Technik uns bringt, indem sie uns von schweren und ungesunden Arbeiten entlastet, sehen wir aber auch die durch die Technisierung entstandenen Probleme heute deutlicher.

Neil Postman und Günther Anders haben auf unterschiedliche Art Kritik an der Technisierung der Gesellschaft geübt. Ihre Kritik an der modernen technischen Kultur läßt sich so zusammenfassen, daß der Mensch zunehmend als das schwächste und unzuverlässigste Element im Umfeld von Mensch und Technik empfunden wird.

Die Gentechnik bietet neue Möglichkeiten an, Mensch und Natur zu optimieren. Einige Forscher sehen in dieser „technischen“ Optimierung des Menschen eine Möglichkeit, die Mängel, die durch Erziehung nur mühsam zu beseitigen wären, direkt zu beheben, weiterzuentwickeln und zu perfektionieren. Angesichts der Möglichkeiten, die die Gentechnik, aber auch die Technik allgemein, heute bieten stellt sich die Frage nach dem Wesen des Menschen neu. Mit dieser Frage ist auch unser Umgang mit den Grenzen des Lebens, d.h. mit Geburt und Tod eng verknüpft.

Die Technik und der Mensch: Christliche Perspektiven

Der christliche Glaube bietet keine biologische Definition für den Beginn und das Ende des menschlichen Lebens an. Aber er kann uns helfen, eine Orientierung in ethischen Fragen zu finden.

Dem Menschen der Neuzeit ist Gott verlorengegangen. Er hat seine Sicherheit verloren und ist darauf angewiesen seine Umwelt zu formen und zu beherrschen.

Christlicher Glaube weiß um die Gefährdungen von Mensch und Natur. Er weiß aber auch, daß bei allem verständlichen Streben nach Sicherheit diese nicht durch den Menschen garantiert werden kann. Sie liegt in Gottes Hand. Der Mensch ist damit von der Last der Verantwortung befreit, ohne aber verantwortungslos zu sein. Er ist nach christlicher Auffassung als Haushalter Gottes verantwortlich für seine Mitgeschöpfe.

Die Technik kann dem Menschen helfen, dieser Verantwortung gerecht zu werden und seine Lebenswelt zu erhalten. Sie darf aber nicht zum Maß aller Dinge werden, denn das Maß aller Dinge ist nach christlicher Überzeugung Gott als Schöpfer und Erhalter der Welt.