Pfr. Dr. phil. Jens Dietmar Colditz, Augsburg:
Vom Anfang bis zum Ende

Das Schöpfungsgeschehen aus der Perspektive christlicher Theologie


Christliche Theologie erkennt die Welt als Schöpfung. Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass die Welt und ihr Geschehen in Abhängigkeit von Gott, dem Schöpfer, stehen. Unter Absehung dieser Voraussetzung erforscht die moderne Naturwissenschaft mittels empirischer Methoden das Welt- und Naturgeschehen.

1. Theologie und Naturwissenschaft im Dialog

Theologie und Naturwissenschaft sind auf die eine Wirklichkeit bezogen. Deren Erfahrungs- und Erkenntnisbereiche sind jedoch von den unterschiedlichen methodischen und hermeneutischen Voraussetzungen her zu differenzieren. Eine Verständigung darüber, auf welcher Ebene ein sinnvoller Dialog zwischen Theologie und Naturwissenschaft geschehen kann, ist notwendig.

Die Schöpfungsthematik artikuliert sich in der Welt, die die Naturwissenschaft mit den ihr zur Verfugung stehenden empirischen Methoden untersucht. Der Schöpfungsgedanke erhebt sich jedoch nicht aus empirischer Betrachtung. Um sinnvoll und zeitentsprechend von Schöpfung sprechen und den Glauben an Gott im Horizont dieser Welt reflektieren zu können, braucht die Theologie die Beziehung und den Austausch mit dem naturwissenschaftlichen Erfahrungsbereich. Ein produktiver Dialog signalisiert die Bereitschaft, das Verständnis von Wirklichkeit gemeinsam zu erhellen.

2. Schöpfung vom Anfang bis zum Ende

Als ein religiöser Begriff erfaßt die creatio ex nihilo (Schöpfung aus Nichts) die Kernaussage des christlichen Schöpfungsglaubens. Der Schöpfungsbegriff ist ein Bekenntnis, hinter dem eine Glaubenserfahrung steht. Darin wird ausgesagt, dass die Welt nicht aus sich selbst heraus erklärbar ist, wenn man nach ihrem Grund fragt. Zugleich gibt er Zeugnis von Gott als dem ausschließlichen und alleinigen Schöpfer.

2.1. Schöpfung als ursprüngliches Ereignis

In allen endlichen Weitmodellen wird man mit dem Begriff des ersten Ereignisses konfrontiert. Wichtig scheint in diesem Zusammenhang jedoch die Feststellung, dass es hier um einen Begriff des Anfangs geht, der unter Anwendung physikalischer Methoden erfasst werden soll. Eine durch die kosmologischen Erkenntnisse abgeleitete Verbindung zur creatio ex nihilo und creatio originans hat auch theologische Spekulationen hinsichtlich des Schöpfungsaktes ausgelöst und die Urknallkosmologie theologisch attraktiv gemacht. Eine Identifikation ist aber begrifflich nicht haltbar. Auch kosmologische Vorschläge, die ein singularitätsfreies Universum behaupten, haben in der Schöpfungstheologie Spuren hinterlassen. Der Schöpfungsbegriff im Sinne der creatio originans bleibt dabei weitgehend unberücksichtigt. Diese Auffassung hat wohl auch zu einer Uberpointierung der creatio continua geführt, die einerseits auf die bleibende Gesetzlichkeit des Universums hinweisen soll, andererseits eine Anlehnung an das evolutive Weltverständnis bieten will.

2.2. Schöpfung als permanentes Geschehen

Das Schöpfungswerk als Ganzes versteht die Theologie als eine creatio ex nihilo, sowohl was die Setzung der Welt ins Sein als auch ihren Fortbestand betrifft. Der einmalige und erstliche Schöpfiingsakt ist eine creatio originans im Sinne einer creatio ex nihilo. Gottes Erhaltung der Welt in ihrem Seinszustand wird theologisch im Begriff der creatio continua ausgesagt. Kontinuierliche Schöpfung ist Erhaltung und prozessuale Weiterführung von bereits Geschaffenem und Gegebenem. Insofern charakterisiert die creatio continua eine ständige creatio ex nihilo.

Das zeitlich fortlaufende Schöpfungsgeschehen ist ein Werden, das in der Hervorbringung von Neuem nach vorne vöffig offen ist. Der evolutive Schöpfungsverlauf integriert ein zukünftig verheißenes Heil und kann somit in Abgrenzung zu einer deistischen Interpretation dem biblischen Gott zugeschrieben werden. Dann zeigt sich Gottes ständige Erhaltung der Welt, was in der Naturgesetzlichkeit signalisiert sein mag.

2.3. Schöpfung als Vollendung

Die Frage nach dem Anfang muss in Zusammenhang mit einem Ende gesehen werden. Das verheißene Ziel Gottes, das Eschaton, kann kein Punkt im Rahmen der zeitlich efahrbaren, irdischen Geschichte sein. Eschatologie ist keine Futurologie. Unser Kosmos ist in Raum und Zeit begrenzt; damit ist auch die in unserem Universum vorhandene Energie begrenzt. Im Verständnis der Schöpfung aus Nichts liegt die Vorstellung von der Endlichkeit der Welt. Der biblische Glaube konstatiert eine Vollendung im Sinne einer Aufhebung von Raum und Zeit.

3. Schöpfer des Himmels und der Erde

3.1. Die Souveränität und Allmacht Gottes als Schöpfer

Der Ausdruck creatio ex nihilo erteilt jedem Dualismus eine Absage. Das souveräne Handeln des Schöpfers macht auch jegliche Mithilfe eines Demiurgen in der Weitgestaltung überflüssig. Die Freiheit Gottes zu schaffen ist gewollte Freiheit und kein Willkürakt.

3.2. Die Priorität Gottes als personaler Urheber

Gott ist der creatio ex nihilo vorgängig. Wenn er nicht vor dem Anfang ist, erübrigt sich auch die Frage nach ihm zum Ende. Die Prioritat Gottes ist freilich nicht als eine zeitliche zu verstehen. Sie kommt auch nicht einer Ursächlichkeit gleich. Gott als Ursache der Welt wäre im Verhältnis zu ihr unfrei und würde dem Weitgesetz unterworfen sein.

3.3. Die Selbstbegrenzung Gottes als Schöpfer

Gott gewährt neben sich einem anderen die Existenz und gibt diesem den Anfang ex nihilo. Dieses andere besteht neben Gott und erfährt seine Kontingenz darin, dass es sich selbst nicht als göttliches Sein behaupten kann. Es ist untergeordnetes Sein, trägt aber die Handschrift des Creators. Damit ist Gottes Selbstbegrenzung ein Akt seines Schöpferwillens.

3.4. Die Aktivität Gottes als Erhalter der Welt

Gott in seiner Selbstidentität muss das Sein von Ewigkeit her zukommen. Die Seinsmitteilung Gottes fordert seine Immanenz, was aber nicht pantheistisch zu verstehen ist. Die Welt ist nicht göttlich, sondern Schöpfung und damit von Gott unterschieden. Als Erhalter und Retter der Welt handelt Gott in Raum und Zeit. Hier vollzieht sich die Abgrenzung zu einer deistischen Vorstellung, nach der Gott zwar nicht geleugnet, aber jeglicher Bedeutung für die Welt und die Menschen enthoben wird.